CASE 50  

Regel 10 Wind von entgegen gesetzter Seite
Regel 14 Berührung vermeiden
Definition Freihalten

Stellt das Schiedsgericht fest, dass bei einem Backbord-Steuerbord-Vorfall S seinen Kurs nicht geändert hat und keine echten oder glaubhaften Befürchtungen für eine Kollision für S vorlagen, so sollte es einen Protest von S zurückweisen. Wenn das Schiedsgericht überzeugt ist, dass S den Kurs geändert hat und dass begründete Zweifel daran bestehen, dass P frei vor S passiert wäre, falls S den Kurs nicht geändert hätte, dann sollte es P disqualifizieren.

Zusammenfassung des Falles
Auf einer Kreuzstrecke begegnete Boot P dem Boot S und segelte einen Kurs, um vor S zu passieren. S fiel ab, setzte die Protestflagge und rief P seine Protestabsicht zu. Beide Boote waren identische 27-Fuß-Kielboote und der Wind hatte Stärke 3.
S protestierte auf Verletzung von Regel 10 und gab an, dass es abfallen musste, um eine Berührung mit P zu vermeiden. Das Schiedsgericht wies den Protest von S mit der Begründung ab, dass die Notwendigkeit einer Kursänderung von S auf Grund der widersprüchlichen Aussagen beider Steuerleute nicht nachgewiesen werden konnte. S ging in die Berufung.

Entscheidung
Proteste auf Grund von Regel 10, ohne dass eine Berührung vorlag, sind sehr häufig und die Schiedsgerichte behandeln sie sehr unterschiedlich. Einige verpflichten das Boot mit Wind von Backbord, schlüssig nachzuweisen, dass es vor dem Boot mit Wind von Steuerbord freigekommen wäre, selbst wenn dessen Aussage kaum glaubhaft ist. Eine solche Beweislast legt die Regel 10 aber nicht fest. Andere Schiedsgerichte geben einem Protest auf Grund von Regel 10 ohne Berührung nur statt, wenn das Boot mit Wind von Steuerbord schlüssig nachweisen konnte, dass eine Berührung stattgefunden hätte, wenn es den Kurs nicht geändert hätte. Beide Auffassungen sind falsch.
Eine später vom Schiedsgericht als richtig anerkannte Skizze, die auf der Aussage von S beruht, zeigt S, wie es abfällt, um eine Berührung zu vermeiden. Eine zweite vom Schiedsgericht als nicht richtig anerkannte Skizze, die auf der Aussage von P beruht, zeigt eine äußerst knappe Begegnung, bei der S hätte knapp passieren können, falls es nicht ausgewichen wäre. P wollte weder bestreiten noch zugeben, dass S abfiel, stellte lediglich fest, dass das Abfallen unnötig war, auch wenn S es getan hat.
Ein Boot mit Wind von Steuerbord braucht in einer solchen Situation nicht den Kurs halten und durch eine Berührung nachweisen, dass Kollisionsgefahr bestand. Tut es dies, so verstößt es sogar gegen Regel 14. Bei der Protestverhandlung muss zunächst S glaubhaft nachweisen, dass es zu einer Berührung gekommen wäre, wenn es seinen Kurs beibehalten hätte oder dass zumindest Zweifel daran bestand ob P, ohne Angst vor einer Berührung bei S zu erzeugen, frei vor S hätte passieren können. Denn genau das ist es, was unter "Ohne Ausweichmaßnahmen ergreifen zu müssen" in der Definition Freihalten gemeint ist.
Zu seiner Verteidigung muss P angemessene Beweise liefern, dass S entweder seinen Kurs nicht geändert hat, oder dass P, ohne dass S hätte Ausweichmaßnahmen ergreifen müssen, frei vor S passiert wäre. Stellt das Schiedsgericht nach Aufnahme aller Beweise fest, dass S seinen Kurs nicht geändert hat oder keine echten oder glaubhaften Befürchtungen einer Kollision für S vorlagen, so sollte es einen Protest von S zurückweisen. Wenn das Schiedsgericht überzeugt ist, dass S den Kurs geändert hat, weil begründete Zweifel daran bestanden, dass P frei vor S passiert wäre, falls S den Kurs nicht geändert hätte, dann sollte es P disqualifizieren.
Bei den vom Schiedsgericht vorgelegten Skizzen und ihrem Bericht erscheint es im besten Falle zweifelhaft, dass P frei vor S passiert wäre. Der Berufung von S wird stattgegeben, P wird disqualifiziert.

CYA 1981/85