CASE 104   

Regel 63.6, Verhandlungen; Beweisaufnahme und Feststellung des Sachverhalts
Regel 70.1, Berufungen; Bestätigung oder Berichtigung von Entscheidungen; Regelauslegungen
Regel F5, Berufungsverfahren

Der Versuch zwischen Tatsachen und Folgerungen in der Sachverhaltsfeststellung eines Schiedsgerichts zu unterscheiden ist manchmal unbefriedigend, da die festgestellten Tatsachen teils auf Fakten und teils auf Schlussfolgerungen beruhen. Ein nationaler Verband kann die Entscheidung eines Schiedsgerichts ändern und auch alle anderen Befunde die Schlussfolgerungen oder Rechtsauffassung betreffen aber nicht die Befunde über Fakten. Ein nationaler Verband kann durch logische Schlussfolgerungen zusätzliche Tatsachen feststellen. Keine niedergeschriebene Tatsache oder ein Diagramm hat Vorrang vor einem anderen. Schiedsgerichte müssen Widersprüche im Sachverhalt lösen, wenn dies durch den nationalen Verband gefordert wird.
Frage 1
Welche Kriterien sind Ausschlag gebend ob eine Feststellung in einer Schiedsgerichtsentscheidung in einer Berufung geändert werden kann? Hängen diese Kriterien davon ab, ob die Feststellung eine Tatsache oder eine Schlussfolgerung ist oder ob sie bereits eine Regelauslegung beinhaltet oder was sonst?

Antwort 1
Die Unterscheidung zwischen Tatsache und Schlussfolgerung bietet kein ausreichendes Kriterium, da sich beide Ausdrücke überschneiden. Im Sinne von Regel 63.6 und anderer Regeln, die den Begriff verwenden, ist "Sachverhalt" (engl. fact) eine Handlung oder Bedingung, für die das Schiedsgericht herausfand, dass sie geschah bzw. existierte. Eine Schlussfolgerung (engl. conclusion) wird durch schlüssiges Überlegen aus etwas anderem hergeleitet und kann rein sachlich sein. Zum Beispiel wenn als Tatsache feststeht, dass bei einer Wettfahrt drei Bootsklassen sind und jede Bootsklasse aus fünf Booten besteht, dann ist es eine Tatsache und eine Schlussfolgerung, dass 15 Boote an der Wettfahrt teilnehmen. Eine Schlussfolgerung kann auch teilweise nicht eine reine Sachverhaltsaussage sein, wenn eine Beurteilung erfolgt, die nicht sachverhaltsbezogene Teile enthält. Ein Beispiel ist die Festlegung "Boot A setzte die Protestflagge bei der ersten zumutbaren Gelegenheit nach dem Vorfall", die aus einer Kombination aus den Fakten des Vorfalls und einer Interpretation des Ausdrucks "Erste zumutbare Gelegenheit" in Regel 61.1(a) besteht.
Eine "Sachverhaltsfeststellung", die eine Regelinterpretation ist, ist eindeutig eine Sache, die vom nationalen Verband geändert werden kann aber es gibt auch andere "Sachverhaltsfeststellungen", die Schlussfolgerungen oder Beurteilungen einbeziehen und damit ebenfalls geändert werden können. Zum Beispiel kann ein Schiedsgericht festgelegt haben: "Die Windstärke von 15 Knoten war zu groß, dass die Boote in Sicherheit an der Wettfahrt teilnehmen konnten". Diese Aussage ist eine Meinung oder Beurteilung aber nicht eine Regelauslegung.
Das Kriterium zu entscheiden, ob eine "Sachverhaltsfindung" eines Schiedsgerichts in der Berufung geändert werden kann, hängt also davon ab, ob dieser Sachverhalt ausschließlich auf Tatsachen beruht. Regel 70.1 erlaubt die Berufung der vom Schiedsgericht festgestellten Entscheidung und seiner Verfahrensweise, aber nicht die festgestellten Sachverhalte. Es verbietet jedoch nicht der Berufung andere Ergebnisse oder Beurteilungen als das Schiedsgericht. In ähnlicher Weise fordert Regel F5 vom nationalen Verband, die festgestellten Sachverhalte eines Schiedsgerichts zu akzeptieren aber fordert nicht andere Ergebnisse zu akzeptieren. Das Ergebnis von beiden ist, dass ein nationaler Verband alle Feststellungen eines Schiedsgerichts ändern kann mit Ausnahme der Festestellung von Sachverhalten.

Frage 2
Darf ein nationaler Verband zusätzliche Sachverhalten aus den geschriebenen Sachverhalten und ihrem Diagramm schließen?

Antwort 2
Ja. Der nationale Verband darf aus allen Quellen logische Schlüsse ziehen um zusätzliche Sachverhalte herzuleiten.

Frage 3
Was ist die Stellung eines Diagramms, das vom Schiedsgericht erstellt oder bestätigt wurde, wie von Regel F2.2(b) gefordert?

Antwort 3
Beides, das Diagramm und die niedergeschriebenen Tatsachen sind der festgestellte Sachverhalt des Schiedsgerichts. Keines von beiden hat Vorrang vor dem anderen.

Frage 4
Wenn Sachverhalte im Widerspruch zueinander stehen, wie ein Widerspruch zwischen dem Diagramm und den niedergeschriebenen Tatsachen, muss der nationale Verband alle akzeptieren. Wie sind solche Widersprüche zu lösen?

Antwort 4
Der nationale Verband kann logischerweise sich widersprechende Tatsachen nicht akzeptieren. Regel F5 gibt dem nationalen Verband das Recht, vom Schiedsgericht berichtigte oder ergänzte Tatsachen zu fordern, die den Widerspruch lösen.

USSA 2003/85